Esslinger Zeitung
- OSTFILDERN: Vor 50 Jahren wurde der Frauenchor der Eintracht Nellingen gegründet
Die Gründungsversammlung des Frauenchors der Eintracht Nellingen war am 3. Februar 1969, drei Wochen später war die erste Probe. Doch die Vorgeschichte des Chores begann schon 1963. Da hatte die Eintracht zum 125-jährigen Bestehen einen Frauen-Projektchor versammelt. „Danach haben sie uns in die Wüste oder nach Hause geschickt“, sagt Elisabeth Hartmann, eine von vier Sängerinnen, die seit 50 Jahren treu dabei sind. Das geschah später noch ein zweites Mal. Als es ein drittes Mal einen Frauen-Projektchor geben sollte, stellte sich Wilhelm Hartmann quer. „Mein Mann war Vorstand, er sagte, wenn es zum dritten Mal einen Frauenchor geben soll, dann dauerhaft.“ Also forderten Wilhelm Hartmann und der damalige Chorleiter Lorenz Lauterbach alle singwilligen
Frauen auf, sich zu melden.
Zum ersten Treffen kamen 33 Frauen, später wuchs der Frauenchor bis auf 65 Frauen an und hatte irgendwann die Männer überflügelt. So blieb es bis heute, aktuell sind es 27 Frauen und 21 Männer. Geprobt wird am Donnerstagabend hintereinander, bei Bedarf auch überlappend. Gerade wird gemeinsam „Mich trägt mein Traum“ geübt, die deutsche Version des Abba-Songs „I Have a Dream“. Chorleiter Rainer Stolle fordert alle auf, erheblich leiser zu singen: „Es geht um einen Traum und um kein Volksfest!“ Stolle kam 2010 zur Eintracht, beim Vorstand herrscht noch mehr Konstanz, Hans-Dieter Bauer übt dieses Amt schon seit 1992 aus. Auch Rosl Haas singt schon seit 50 Jahren mit, das gilt ebenso für Ingeborg Plensat und Christl Waller. Edeltraud Schurz, die stellvertretende Frauensprecherin, ist seit 25 Jahren dabei. Die Frauen der ersten Stunde erinnern sich noch, dass 1969 einzelne Männer ausgetreten sind: „Wenn Frauen dabei sind, dann komme ich nicht mehr.“
Die Frauen wissen von weit mehr als vom Singen zu berichten. Noch heute schwärmen sie von ihrer Berlin-Reise des Jahres 1989, mit Empfang im Rathaus und Besuch im KDW. „Einige hatten ihren besonderen Spaß, sie verließen das Kaufhaus alle mit Hut“, erzählt Rosl Haas. „Auf dem Kurfürstendamm wurden sie von den eigenen Sängerinnen nicht erkannt.“
Fliegender Wechsel
Den Hut ziehen muss man vor der Eintracht, was sie beim Eintrachtstüble in der Halle geleistet hat. Von der Stadt Ostfildern bekam sie den leeren Raum zur Verfügung gestellt, für den ganzen Rest vom Gips bis zur Theke sorgte der Verein selbst, jeder Sänger spendete für seinen Stuhl. Heute ist donnerstags immer Schichtwechsel: Während die Frauen ab 19 Uhr proben, versammeln sich die Männer im Eintrachtstüble. Wenn dann ab 20.30 Uhr die Männer zur Probe gehen, wechseln die Frauen ins Eintrachtstüble. Jede Woche im Wechsel sind zwei andere Männer und Frauen für die Bewirtung zuständig – nicht nur für Getränke, sondern auch ein herzhaftes Vesper.
Rainer Stolle ist der achte Dirigent in der Ahnenreihe des Frauenchors, unter den Acht war nur eine Frau. Wenn sich bei einem Wechsel mehrere beworben haben, gab es immer Probedirigate, danach wurde im Chor demokratisch abgestimmt. Jeder Neue brachte ergänzend neues Liedgut mit, so entstand ein schöner Fundus. Besonders gerne denken die Sängerinnen an „My Fair Lady“ zurück, mit Kostümen, Schauspiel und kleiner Band. Nur Englisch wird selten gesungen, dagegen protestieren vor allem die Männer. Das übernimmt bei der Eintracht die junge Formation Swingin’ Harmony. „Dann müssen wir es ja nicht“, sagt Edeltraud Schurz.
Wie wichtig den Frauen ihr Chor ist, wie sehr sie den Zusammenhalt schätzen, zeigt eine Geschichte, die Rosl Haas erzählt. Eines Tages habe Rosa Hägele wegen einer Verletzung ihren Schuh nicht anziehen können. Da habe sie sich, um zur Probe zu können, den großen Schuh ihres Mannes Karl ausgeliehen.
Zum 50-jährigen Bestehen gibt es am Sonntag, 26. Mai, um 18.30 Uhr ein Soiree-Konzert im Theater an der Halle. Es singen der Frauenchor, der Männerchor, beide zusammen, Swingin’ Harmony und drei Gastchöre aus Stuttgart. Der Eintritt ist frei.